Mein Standpunkt zum Standort

Künasts Vorstoß zum Kauf deutscher Produkte stößt auf breite Ablehnung, so lese ich heute in der Zeitung. Und tatsächlich sind die Reaktionen an Eindeutigkeit wie auch an Blödsinnigkeit nicht zu überbieten. Vor allem der Einzelhandel scheint am liebsten den Standort wechseln zu wollen, und, weil das nicht möglich ist, klopft er in seinem Frust zumindest kräftig darauf herum.

Nehmen wir mal die Aussagen im Einzelnen unter die Lupe: Bei Kleidung, Unterhaltungselektronik ... sei Deutschland auf ausländische Produkte angewiesen, sagt der Vertreter der Industrie. Setzen, sechs, Thema verfehlt – denn dass man in Zukunft auf seine Spielkonsole verzichtet, weil in Deutschland nun mal nichts Gescheites hergestellt wird, hat ja auch niemand verlangt. Künast sprach ausdrücklich davon, dass es für viele Produkte deutsche Alternativen gibt. Von allen anderen Produkten war überhaupt gar nie die Rede. Ich empfehle Nachhilfe für Herrn Ludolf von Wartenberg – zumindest kann ich jetzt verstehen, warum die Industrie über die schlechte Lesefähigkeit ihrer Bewerber klagt.
  Wer ausländische Produkte kauft, sorgt dafür, dass dort deutsche Exportartikel wie etwa Autos gekauft werden können - mit dieser gewagten Behauptung beglückt uns ein Sprecher des deutschen Einzelhandels. Fein, fein – wenn er mir nun den chinesischen Fließbandarbeiter zeigt, der sich einen deutschen Mercedes bestellt hat; oder den Sweatshop-Malocher oder gar den politisch inhaftierten Zwangsarbeiter, dann höre ich ihm gerne weiter zu. Nämlich wenn er mir erklären will, wie dieses sein Handelsideal dem deutschen Einzelhandel nutzt, dessen Interessen der Herr ja wahren soll. Aber vielleicht hat ihm ja noch niemand erklärt, dass er nicht mehr auf der Uni ist und zweckfrei daherreden kann, sondern dass er inzwischen einen Job zu erledigen hat?

Flankiert und vernebelt werden diese inhaltlich blödsinnigen Aussagen von Schlagworten wie »Protektionismus«, »Deutschtümelei« und dergleichem Schmu. Also bitte! Als ob es darum ginge. Was Künast gefordert hat ist nicht mehr als die ganz normale Einstellung, die Deutschlands Konkurrenten im globalen Geschäft von je her an den Tag legen.
  Die Franzosen sind stolz auf ihre Produkte, und auch in den USA ist »Made in America« ein positiver Begriff, mit dem sich werben lässt. Dass heißt nicht, dass in diesen Ländern etwa die Grenzen dicht sind, oder dass die Kunden dort zu dämlich sind, um das günstigste und beste Angebot auszuwählen. Sie haben einfach nur ein natürliches Gemeinschaftsgefühl verinnerlicht und würden im Zweifel und tendenziell eher das bevorzugen, was »sie selbst« gemacht haben.
  Nur in Deutschland ist es negativ besetzt, wenn man deutsche Waren kauft. Das wundert einen doch etwas, denn es will hier in Deutschland ja jeder einen Job und somit hier etwas produzieren – nur kaufen will es dann keiner? Nur wer ausländische Produkte kauft, der ist wahlweise cool, weltoffen oder geil – je nach Warengruppe.
  Wenn Künast also zur Stärkung deutscher Produkte aufruft, dann geht es nicht mal so sehr um die konkrete einzelne Kaufentscheidung. Es geht um eine Grundeinstellung, um eine emotionale Stärkung des Standorts Deutschland. Und die haben wir derzeit bitter nötig – in jeder Facette. Wenn man im Ausland was verkaufen will, beeindruckt man niemanden, indem man sich großzügig als Kosmopolit geriert. Man muss zuallererst zeigen, dass man selbst auch kaufen würde, was man den anderen anbietet. Eine besondere Wertschätzung heimischer Produkte sollte eigentlich die Grundlage und erste Bedingung für den Auftritt auf dem Weltmarkt sein, und es dient der eigenen Glaubwürdigkeit.
  Eine Glaubwürdigkeit, die unsere Industrie- und Einzelhandelsverbände gerade in aller Öffentlichkeit mit Füßen getreten haben.

Aber zum Glück gibt es in dieser laufenden Diskussion einen Funken Hoffnung. Nicht etwa auf die Einsichtsfähigkeit der deutschen Marktteilnehmer und Berufsschlechtredner; aber zumindest auf eine höhere, göttliche Gerechtigkeit.
  In unserer gegenwärtigen Krise leidet der Einzelhandel ganz besonders. Die Aussagen des HDE-Sprechers zeigen zumindest deutlich, dass es dabei nicht die falschen trifft, sondern ganz offenbar eine besonders unbelehrbare Klientel, die sich mit Freuden selbst ihr Grab schaufelt und dann auch noch den Spaten über den Kopf zieht.
  Wer solche Vertreter in verantwortliche Positionen lässt, dem geht es noch viel zu gut ... kann ich mir jetzt jedenfalls beruhigt sagen, meine standortfreundlichen Ideale beiseite schieben und getrost beim billigsten Anbieter und am besten noch im grenzüberschreitenden Versandhandel kaufen. Vielen Dank, Herr Hubertus Pellengahr, für diese gewissensberuhigende Steilvorlage.

Lebe wohl, deutscher Einzelhandel!